Die Linke/Liste Solidarität Rüsselsheim — www.liste-solidaritaet.de
HOME AKTUELLES TERMINE ARCHIV ÜBER UNS MITMACHEN LINKS IMPRESSUM DATENSCHUTZ INHALT  

News  
Termine  
Presseerklärungen  
Anträge/Anfragen  
Medienreflexe  
Zeitung  
   
 
   
   

 

07.12.2023

Facebook-Kommentar von Heinz-Jürgen Krug

Rettet Sozialdarwinismus die Bundesfinanzen?

Gewitzt durch zweimalige Fehlinterpretation von Zeitungsüberschriften ( [1] zu „weniger Rechte“ ; [2] zu „Pistorius auf Bewährung“) dachte ich mir schon bei der Überschrift „Debatte um höheres Bürgergeld“ im Main-Spitzen-Echo vom Montag, dass es gerade nicht um eine von Wirtschaftsinstituten, Sozialverbänden und der Linken für notwendig erachtete Erhöhung des für 2024 vorgesehenen Bürgergelds von 563 Euro/Monat - für eine alleinstehende erwachsene Person - handelt. Sondern um das genaue Gegenteil, also die Kürzung dieses Betrags.

Und bei den Forderungen dazu tun sich – nicht überraschend – CSU/CDU/FDP besonders hervor (die bei der Hetze gegen Arbeitslose zu dieser „Querfront“ gehörende und meist noch einen Dreh brutalere AfD kommt in dem Artikel nicht vor).

Die „Argumente":

Djir-Sarai (FDP-Generalsekretär) äußert: „Jeder dritte Euro, den die Bundesregierung ausgibt, fließt in Sozialausgaben, Das geht nicht mehr“. Der erste Satz stimmt zumindest formal (wenn frau/man) die diversen am Haushalt vorbei agierenden Sonderfonds außen vorlässt. Der Haushalt des Ministeriums für Arbeit und Soziale beträgt in diesem Jahr 35 bzw. falls der Nachtragshaushalt wie geplant durchkommt 36 Prozent der Gesamtausgaben. Sein Parteichef Lindner hat offenbar eine besondere Aufrundungstechnik; er behauptet in einem Interview mit Gabor Steingart/Pioneer, „45 Prozent der Ausgaben des Bundes gehen in den Sozialbereich rein“.

„Das geht nicht mehr“ ist allerdings eine unbegründete Propagandabehauptung. Sieht frau/man sich die ökonomisch sinnvolle Sozialleistungsquote (die außer den staatlichen Leistungen die Einzahlungen von Beschäftigten und Unternehmen berücksichtigt) als Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) an, so ergibt sich, dass sie in den 2000er-Jahren meist über 29 Prozent lag, 2009 (nachdem die Grundleistungen der Privaten Krankenversicherungen zusätzlich erfasst wurden) bei 30,8 Prozent. 2022 waren es dann 30,5 Prozent. Auch im EU-Vergleich (die bei Eurostat dargestellte „Sozialschutzquote“ differiert in den Erfassungskriterien minimal von der Sozialleistungsquote) lagen Frankreich (35,7 %), Österreich (33,2%), Italien (33,2%), vor Deutschland (31,7%), auf fast gleicher Höhe Dänemark (31,6%).

Erwähnt werden sollte auch, dass (Bundeshalt 2023) von den 166 Mrd. Euro im Etat des Ministeriums für Arbeit & Soziales 121 Mrd. für Renten und andere Leistungen für Renter*innen aufgewandt werden. Für das eigentliche Bürgergeld sind es 23,8 Mrd. Dazu 10,4 Mrd. für die „Kosten der Unterkunft“. Aber gegen die „faulen Hartzer in der Hängematte“ lässt sich ja schon seit Jahrzehnten leichter polemisieren als gegen die Rentner*innen.

Von Lindner und anderen wird auch gerne darauf hingewiesen, dass die Inflationsrate aktuell doch nur noch bei 3,2% liege. Allerdings sind die Erhöhungen des Bürgergelds ja eine Reaktion auf die Inflationsraten der letzten Jahre. Und da ist von 2020 bis 2023 das Bürgergeld (bis 2022 Hartz4) um 16%, die Verbraucherpreise aber um ca.20% gestiegen.

Ein anderes „Argument“, dass so ziemlich von fast allen dieser Sozialneid-von-oben Propagandierenden und Praktizierenden – im Artikel z.B. von Söder (CSU) - gebracht wird, ist, dass ja kein oder kaum noch ein Unterschied zwischen den Einkommen der Bürgergeldempfänger und Arbeitenden mit Mindestlohn auszumachen sei. Nun haben sowohl das WSI (Wirtschafts- und sozialwissenschaftliches Institut/Hans-Boeckler-Stiftung) als auch das Ifo-Institut sich die Sache genauer angeschaut. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse gibt es bei der Tagesschau [3].

Daraus Ausschnitte:

„Bei Alleinstehenden, die in Vollzeit zum Mindestlohn arbeiten, sind es im Durchschnitt 532 Euro mehr, bei Familien mit drei Kindern und einem Mindestlohneinkommen sind es zwischen 429 und 771 Euro mehr - abhängig vom Alter der Kinder. Das liegt vor allem daran, dass auch Geringverdienerinnen und Geringverdiener Anspruch auf zusätzliche Leistungen wie Wohngeld oder Kinderzuschlag haben - und zudem einen größeren Freibetrag bei ihrem Erwerbseinkommen.

Verglichen wurden acht unterschiedliche Konstellationen von Haushalten, in denen ein Verdiener in Vollzeit zum Mindestlohn arbeitet, mit sogenannten Bedarfsgemeinschaften, die Bürgergeld beziehen und in denen keiner arbeitet. Dabei wurde eine bundesweit durchschnittliche Miete mit Nebenkosten berücksichtigt.

"Wir haben festgestellt, dass man in allen diesen denkbaren Konstellationen mehr Geld hat, wenn man arbeitet, und dass der Abstand teils auch sehr deutlich ist", sagt Bettina Kohlrausch, Wissenschaftliche Direktorin am WSI. Die Berechnungen des WSI für Monitor decken sich in ihrer Aussage mit einer aktuellen Analyse des Ifo-Instituts für die Wochenzeitung "Die Zeit". Die Äußerungen aus Richtung CSU/CDU/FDP sind also schlicht dummdreist. Da die sich Äußernden zumindest formal, gemessen z.B. am IQ, höchstwahrscheinlich nicht dumm sind, muss es sich um sozialdarwinistische Propaganda handeln.

Und noch ein heißer Tipp, wie dafür gesorgt werden könnte, dass der Lohnabstand auch für Menschen mit interessegeleiteten ideologischen Tomaten auf den Augen deutlicher erkennbar wird: Mindestlohn deutlich erhöhen!

[1] https://www.facebook.com/heinzjurgen.krug/posts/pfbid0WD1 KYXRgYYNUWtPAgQSCpPqsvSoFpDYB7vPQb9cLrKqUF9M1hV7n PSSw3wM2jFmyl

[2] https://www.facebook.com/heinzjurgen.krug/posts/pfbid0T UekUf4UQgsrRprDsq97LdjDgYDgwUd7CHYXxqhh CZ5s2wya8mRSUjvyUHqDYmcml

[3] https://www.tagesschau.de/.../buergergeld-mindestlohn-100...

 

Link zum Facebook-Kommentar

 

 

   
© 2023 Die Linke/Liste Solidarität Rüsselsheim - Kontakt: vorstand@liste-solidaritaet.de